Zelllinien

Zelllinien
Zelllinien,
 
Zellkulturen, die sich nahezu unbegrenzt permanent züchten lassen, da sich ihre Eigenschaften meist durch Transformation soweit geändert haben, dass sie nicht mehr absterben. Zellen höherer Organismen können außerhalb des Organismus (in vitro), aus dem sie stammen, unter definierten Laborbedingungen in speziellen Nährlösungen (Medien) kultiviert werden. Wachstum, Vermehrung und Lebensdauer der unterschiedlichen Zelltypen können unter den jeweiligen Bedingungen sehr unterschiedlich sein. Je nach den biologischen Eigenarten und der Herkunft der Zellen unterscheidet man verschiedene definierte Zellpopulationen oder Zelllinien.
 
Bei der Primärkultur handelt es sich um Zellen, die unmittelbar zuvor einem Organismus entnommen wurden. Nach Präparation eines Organs oder eines bestimmten Gewebes wird dieses durch mechanische und/oder enzymatische Methoden in einzelne Zellen aufgelöst.
 
Die meisten Organe bestehen aus einer heterogenen, d. h. verschiedenartigen Zellpopulation. Um nur die gewünschten Zellen in Zellkultur zu vermehren, wird ein Medium gewählt, das für diesen definierten Zelltyp entwickelt wurde. Die anderen Zellarten innerhalb des Zellgemisches, denen das Medium nicht gerecht wird, sterben ab.
 
Die Wachstumsgeschwindigkeit und Teilungsaktivität der Primärkultur ist stark von der jeweiligen Zellart abhängig. Nach Erreichen einer bestimmten Zelldichte endet die Teilungsaktivität bei den meisten Zellarten (z. B. menschlichen Fibroblasten) durch ein Phänomen, das als »Kontakthemmung« bezeichnet wird. Bei vielen Zellarten ist es möglich, die Zellen der Primärkultur erneut mechanisch oder enzymatisch zu trennen und das Wachstum beziehungsweise die Teilungsaktivität nach Umsetzen auf weitere Kulturgefäße in geringerer Dichte wiederholt anzuregen. Das Dissoziieren und erneute Aussäen beziehungsweise Ausplattieren der Zellen wird auch »Passagieren« genannt. Nach dem ersten Passagieren einer Primärkultur spricht man nicht mehr von einer Primärkultur, sondern von einer Primärzelllinie.
 
Die Lebensdauer von Primärzelllinien ist begrenzt. Trotz Versorgung der Zellen mit den entsprechenden bekannten Nährstoffen ist die mögliche Anzahl der Passagen auf maximal fünfzig beschränkt. In Abhängigkeit von den Ausgangszellen stirbt die Primärzelllinie bei wiederholtem Passagieren sukzessive ab.
 
Wurden die ursprünglichen Zellen einer Primärzelllinie aus gesundem Gewebe isoliert, eignen sich diese v. a. zur Analyse der jeweiligen Zellart.
 
Im Unterschied zu Primärzelllinien sind so genannte etablierte Zelllinien nicht in ihrer Lebensdauer begrenzt. Sie lassen sich über einen nahezu unbegrenzten Zeitraum kultivieren und eignen sich zur Untersuchung grundlegender Zellfunktionen sowie für immunologische, virologische oder toxikologische Tests. Möglich wird ihre »Unsterblichkeit« durch eine Modifikation der genetischen Informationen, die zu einer Änderung der Eigenschaften - insbesondere des Wachstumsverhaltens - der Zellen führt. Dieser Prozess wird als Transformation bezeichnet. Einerseits lassen sich diese Zellen aus Tumoren gewinnen (Tumorzelllinien), andererseits kann es während der Kultivierung der Zellen ausgelöst durch karzinogene beziehungsweise ionisierende Strahlung zu einer Transformation kommen. Trotz der Veränderung einiger Zelleigenschaften kann die entsprechende Zelllinie aufgrund weiterhin bestehender Gemeinsamkeiten mit der ursprünglichen Zellart bei vielen Untersuchungen verwendet werden. Beispielsweise produziert eine Zelllinie, die aus einem Lebertumor gewonnen wurde (»HepG2«), trotz Transformation fast alle Substanzen, die auch von gesunden Leberzellen hergestellt werden.
 
Die Vergleichbarkeit des Ausgangsmaterials ist beim Einsatz von etablierten Zelllinien gegeben und daher in der Forschung bei verschiedenen Testverfahren von großem Vorteil. Eine der am besten untersuchten humanen, etablierten Zelllinien ist die HeLa-Zelllinie. Sie wurde 1952 als erste menschliche Zelllinie aus einem Gebärmutterhalstumor isoliert und wird bis heute in der Forschung eingesetzt. Mittlerweile sind Zelllinien diverser Zellarten unterschiedlicher Organismen (z. B. CHO aus der Gebärmutter des Hamsters, B16 aus der Haut einer Maus, 3T3 aus Bindegewebezellen der Maus) gut charakterisiert und über kommerzielle Anbieter erhältlich.

Universal-Lexikon. 2012.

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